• Thema des Beitrags: Kraftquellen in der Demenz

Das demenzsensible ( menschenfreundliche ) Krankenhaus im Kreis Herford nimmt langsam Konturen und Formen an.

Das Herz wird nicht dement…..

Nach einem entspannten Spaziergang kaum zu
Hause angekommen sagst du zu mir: „Du bist nicht
meine Frau – du hast hier nie gewohnt – aber ich
kenne dich – du kommst ab und zu – du musst das
Haus verlassen, sonst großer Ärger, wenn andere
Frau, die hier wohnt, kommt.“
Meine Frage: „Wie heißt denn deine Frau?“ „Susanne“
„Und ich?“ Nach langem Zögern: „Auch Susanne“.
Ich bin aufgeregt, fürchte mich, weine, ziehe mich an,
verlasse für eine halbe Stunde das Haus und komme
dann – als sei nichts gewesen – nach Hause.
Es funktioniert. Du erzählst mir was „die andere“
gemacht hat. Jetzt bin ich offensichtlich wieder die
Frau die hier wohnt …

Der Text stammt aus einer Kampagne mit Tischsets die in Gaststätten aus dem Kreises Herford 2014 im Rahmen des Projektes „Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz“ ausgelegt waren.

Diese Worte sollten deutlich machen, welche Aufgabe die pflegenden Angehörigen Tag ein und aus haben. Wenn dann der Partner oder die Partnerin in ein Krankenhaus kommt, kann es in dieser Zeit im Krankenhaus neben dem medizinischen Aspekt nur um Menschlichkeit im Umgang miteinander gehen.
Seit Jahren befassen sich Karin Alex, Traugott Pfaff und Günter Niermann von dem Kontaktbüro Pflegeselbsthilfe Demenz mit dem Thema im Kreis Herford. Sie machen stets auf die Geschehnisse im Krankenhaus aufmerksam und erhalten im Januar 2023 Gehör beim damaligen Vorstandsvorsitzenden im Klinikum Herford Herrn Peter Hutmacher in einem gemeinsamen Gespräch.

Das Thema Menschen mit neurokognitiven Störungen im Akutkrankenhaus ist von großer gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. In den Akutkrankenhäusern gehören Menschen mit kognitiven Einschränkungen mittlerweile zum klinischen Alltag und werden dort zu einer besonderen Herausforderung. Die Verweildauer beträgt im Schnitt 7 Tage und länger.
In einer Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung gaben 82% der Pflegekräfte in Akutkrankenhäusern an, immer häufiger mit demenzkranken Patienten zu tun zu haben. Aber nur 30% dieser Befragten fühlten sich für den Umgang mit Demenzkranken ausreichend qualifiziert (Nock et al. 2013). Auch andere Studien beklagen erhebliche Wissenslücken beim pflegerischen und ärztlichen Personal der Kliniken (Isfort et al. 2014, Angerhausen 2007, Kirchen-Peters 2013).
Uns, Karin Alex, Traugott Pfaff und Günter Niermann geht es um eine Darstellung der Situation von hilfe- und pflegebedürftigen Menschen, hier insbesondere Menschen mit neurokognitiven Einschränkungen und deren Angehörigen im Lukas Krankenhaus Bünde und dem Klinikum Herford und die Schilderung des Personenkreises, wie sie den Aufenthalt in den Krankenhäusern erlebt haben.

Karin  Alex, Traugott Pfaff und Günter Niermann möchten ausdrücklich betonen, dass wir mit unseren Anregungen zum Aufbau demenzsensibler (menschenfreundlicher) Krankenhäuser im Kreis Herford nicht mit Fingern auf die Krankenhäuser zeigen möchten, sondern mit unseren Empfehlungen auch eine Zielsetzung verfolgen:

* die Versorgungssituation der Menschen mit hilfe- und Pflegebedarf, hier insbesondre die Menschen mit neurokognitiven Störungen und pflegenden Angehörigen im Krankenhaus zu verbessern
* und letztlich auch hiermit das Krankenhauspersonal zu entlasten.

Wir haben zum einen auf die offensichtlichen Probleme im Umgang mit hilfe- und pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen hingewiesen, und zum anderen Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Seid 2015 mit Ausrichtung der 4.Internationalen Demenztagung mit dem Thema „Das demenzfreundliche Akutkrankenhaus“ in Bünde haben die Kooperationsgemeinschaft „Kraftquellen in der Demenz“ gemeinsam mit den Menschen mit und ohne Demenz die bisher gemachten Erfahrungen weitergeben, weitere Erkenntnisse und Antworten dazugewonnen als auch die Herausforderung, für eine neue Kultur des Zusammenlebens und einer interkommunalen Vernetzung im Kreis Herford zu werben.

Unser Bestreben war, das Gespräch sollte dazu dienen, einen gemeinsamen Prozess zwischen den Krankenhäusern auf der einen Seite und den betroffenen Menschen, vertreten durch sich selbst, und Aktiven vom Kontaktbüro Pflegeselbsthilfe Demenz im Kreis Herford auf der anderen Seite, miteinander ins Rollen zu bringen. Das positive ist, wir benötigen keine weiteren Arbeitskreise, die sich nun jahrelang damit auseinander setzen müssen, denn alle Beteiligten wissen um das ernsthafte Vorgehen in dieser Sache.

Für uns waren und sind folgende Themen daher in Zukunft für ein „Demenzsensibles (menschenfreundliches) Krankenhaus“ sehr wichtig:

1. Die frühe Diagnostik (Delirium verhindern)
2. Fachliche Begleitung von Menschen mit Demenz und die Angehörigen vom Beginn an mit der Aufnahme bis zur Entlassung. (Demenzlotse begleitet den Menschen mit Absprache der Angehörigen und Sozialdienst aus den Krankenhäusern bis nach Hause. Wir möchten hiermit vermeiden, dass Freitagsentlassungen, wenn das Umfeld nicht geregelt ist, für die betroffenen Menschen und pflegenden Angehörigen in der Regel in einem Wochenendchaos enden. Das gleiche gilt auch an Werktagen.
Das Projekt „Kraftquellen in der Demenz“, Mitglied im Demenzverbund, verfügt zwischenzeitlich in den Kommunen im Kreis Herford, außer in Rödinghausen, über Demenzlotsen mit einem ausgesprochenen Fachwissen was das Thema Demenz betrifft. Wir würden anbieten, vielleicht einmal für ½ Jahr im Lukaskrankenhaus zu testen, ob ein solcher Weg praktikabel ist, nämlich Hauptamt und Ehrenamt miteinander zum Wohle der Menschen gestalten zu lassen).
3. Kompetenzförderung aller Mitarbeiter/innen durch spezielle Schulungen
4. Kognitive Fähigkeiten der Menschen fördern
5. Wie kann das Krankenhauspersonal die Menschen in Zukunft begleiten?
6. Räumliche Unterstützung und Nutzungskonzepte. (Gestaltungsmerkmale, Selbsthilfefähigkeit und Mobilität schaffen)
7. Die Verweildauer so kurz wie möglich halten. Die Gefahr besteht im Bewegungsmangel, nicht erkennen vom Delirium und Wahrnehmungsstörungen.
8. Vorbeugung und Behandlung eines Deliriums z.B. Basisschulung, Schulungsscreening, Schulung Team Briefing und lernen im klinischen Alltag.
9. Demenzspezifische Weiterbildungen z.B.: wo die akut Krankheit im Vordergrund steht, fehlt oft die positive Einstellung zum Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Wie kann es gelingen, die Mitarbeiter/innen zu motivieren sich dem Thema zu nähern.
10. Achtsamkeit in der Kommunikation zwischen Mitarbeiter/innen und Menschen mit kognitiven Einschränkungen z.B. sprechen mit (Verniedlichungsform),
11. Nahrungsaufnahme für Menschen mit kognitiven Einschränkungen (Essen ungeachtet einfach wieder abräumen)

In der Zeit von Oktober 2021 bis September 20222 begann alles auf der einen Seite mit Vorträgen mit den Themen wie, Auf dem Weg zu einem demenzsensiblen Krankenhaus mit Frau Dr. Sottong von den Maltesern aus Köln, Vorbeugung und Behandlung eines Delirs mit Frau Dr. Eckstein von der Uni Heidelberg oder Kompetenzen stärken mit Frau Julia Bringemeier von Help+ aus Bethel.

Um dem entgegenzuwirken, suchten wir engagierte Bürgerinnen und Bürger als Klinikbegleiter/innen „Nur“ für das geistige und seelische Wohlbefinden der Patienten. Die interessierten Bürgerinnen und Bürger sollten daher eine profunde Schulung von 40 UStd. als Vorbereitung auf ihre Tätigkeit erhalten.

Die Leistung kann bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen durch die Aufnahme ins Krankenhaus bzw. die Untersuchungen und operativen Eingriffe verschlechtert werden. Für Menschen mit kognitiven Einschränkungen ist das Krankenhaus eine unbekannte Welt, die nach eigenen Gesetzen funktioniert. Hier ist alles darauf ausgerichtet, erkrankte Menschen möglichst zügig und effizient der Diagnostik und dem Genesungsprozess zuzuführen und ihn zeitnah in die häusliche Umgebung oder in eine Rehabilitationsmaßnahme zu entlassen.
Leidet der Patient/in neben der Aufnahmediagnose noch an einer Demenz, ist eine Unterstützung durch vertraute Menschen wie Angehörige und/oder Freunde hilfreich.
Manchmal stehen die Angehörigen durch ihre familiären Verpflichtungen nicht zur Verfügung oder sind selbst auf Grund Ihres Alters nur eingeschränkt belastbar. Manche Patienten haben auch keine Angehörigen vor Ort, sei es, weil diese weiter entfernt wohnen oder kein Kontakt mehr gepflegt wird oder aber, weil sie zwischenzeitlich verstorben sind.

Gerade die in ihren kognitiven Möglichkeiten eingeschränkten Patient/innen sind darauf angewiesen, dass ihre Begleiter ein Gefühl dafür entwickeln, was sie in der konkreten Situation an Unterstützung benötigen, welche Bedürfnisse sie haben und wie man Ihnen helfen kann, alles das, was sie (noch) können, selbst zu tun.  Sie haben die Muße, eine gute Beziehung zu den ihnen anvertrauten Menschen aufzubauen und ein offenes Ohr zu haben für ihre Sorgen, Nöte, Ängste und Wünsche – und auch die der Angehörigen.
Gemeinsam mit erfahrenen Mitarbeiter/innen und dem Demenz-Coach aus dem Krankenhaus sorgen sie durch ihre Zuwendung dafür, dass die Patient/innen besser gesunden können und in ihrer Alltagskompetenz gestärkt bleiben. Dieses könnte ein weiterer Schritt auf dem „Weg zum demenzsensiblen Krankenhaus“ sein.

Ein sehr gutes Beispiel des Miteinanders von Ehrenamt und Hauptamt ist, das sich das Klinikum Herford im Verbund mit dem Lukaskrankenhaus und dem ehrenamtlichen Netzwerk Kraftquellen in der Demenz auf den Weg zum demenzsensiblen – menschenfreundlichen Krankenhaus vor drei Jahren gemacht hat. Im April 2025 startete nun auch das Klinikum Herford mit den Erkenntnissen aus dem Lukas Krankenhaus Bünde mit den Klinikbegleiter/innen.

Es ist auf der einen Seite unserer Hartnäckigkeit mit Karin Alex, Traugott Pfaff und meiner Person als auf der anderen Seite dem Vorstandsvorsitzenden des Klinikums Herrn Peter Hutmacher zu verdanken. Wir wissen es sehr wohl einzuschätzen, dass Herrn Peter Hutmacher unser voller Respekt und Dank für diese wegweisende Entscheidung ist.

Günter Niermann